Wie unterscheiden sich offene und geschlossene Gruppen?
Eine neue Studie an der Berolina Klinik
Der Hintergrund: Gruppentherapien in der Rehabilitation
Therapien in der medizinischen Rehabilitation werden zum größten Teil in Gruppen durchgeführt. Gruppenangebote sind nicht nur ökonomischer in der Durchführung, sondern bieten auch wichtige Vorteile. Für viele RehabilitandInnen fördert der Zusammenhalt in der Gruppe kommunikative Kompetenzen. Wegen des intensiven sozialen Kontakts entstehen positive Gefühle. Eine gegenseitige Unterstützung für die Erreichung therapeutischer Ziele wird ermöglicht und häufig die Motivation zur Mitarbeit gesteigert.
Gruppentherapie kann in verschiedenen Formen durchgeführt werden. Hinsichtlich der Aufnahme neuer Gruppenmitglieder werden drei Methoden unterschieden: geschlossene, halboffene sowie offene Gruppen. Geschlossene Gruppen bestehen aus festen Gruppenmitgliedern, welche gleichzeitig und gemeinsam die Therapie beginnen. Im Therapieverlauf kommen keine weiteren Gruppenmitglieder hinzu, auch bei Drop-out von Gruppenmitgliedern und somit frei werdenden Plätzen. Halboffene Gruppen haben eine feste Anzahl von Therapieplätzen für geeignete PatientInnen. Im Therapieverlauf können neue Gruppenmitglieder hinzukommen, sofern Plätze durch Ausscheiden anderer Gruppenmitglieder frei werden. Offene Gruppen haben keine feste Anzahl von Therapieplätzen, evtl. jedoch eine Maximalanzahl, und können von allen geeigneten PatientInnen in Anspruch genommen werden. Im Therapieverlauf können unabhängig vom Ausscheiden bisheriger TeilnehmerInnen neue Gruppenmitglieder hinzukommen.
Eine offene Frage in der Forschung
In der Literatur zur psychotherapeutischen Gruppentherapie wird weiterhin häufig die geschlossene Gruppe als bevorzugte Methode verteidigt (Tschuschke 2001). Es liegen jedoch bisher nur wenige Untersuchungen zum Vergleich halboffener/offener Gruppen mit geschlossenen Gruppen vor. Dabei wäre ein solcher empirischer Vergleich durchaus gewinnbringend. Es ist davon auszugehen, dass verschiedene Gruppenformen unterschiedliche Wirkungen erzielen. Statt die „beste“ Gruppenform zu suchen, ist zu differenzieren, für welche Ziele oder Zielgruppen welche Form am besten geeignet ist.
Die neue Studie der Berolina Klinik
Diese Fragestellung könnte als „blinder Fleck in der Forschung“ bezeichnet werden (Melicherova & Köllner 2020), genießt aber zunehmend mehr Aufmerksamkeit. Um diese Frage zukünftig noch besser beantworten zu können, hat ein Forschungsteam um Prof. Dr. Beate Muschalla (Technische Universität Braunschweig, Abt. Psychotherapie und Diagnostik) ein neues Forschungsvorhaben entworfen: „Gruppentherapien in der verhaltensmedizinisch orientierten orthopädischen Rehabilitationsbehandlung: Wie unterscheiden sich geschlossene Gruppen und offene Gruppen in ihrer Wirkung?“ Diese Studie wird aktuell in der Abteilung Verhaltensmedizinische Orthopädische Rehabilitation der Berolina Klinik durchgeführt.
Das Studienvorhaben wurde durch das Gutachtergremium der Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften Nordrhein-Westfalen begutachtet und wird durch die DRV Rheinland und die DRV Westfalen gefördert. Das Projekt startete im August 2022 und läuft zwei Jahre. Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Projektes und verantwortlich für die Umsetzung der Empirie vor Ort ist Meike Südmeier (M. Sc. Psychologin und Psychotherapeutin), die gleichzeitig im Projekt ihre Doktorarbeit schreibt.
Mit der Studie erarbeiten wir Evidenz bzgl. der relativen Vorteile der jeweiligen Gruppenform, sowohl für PatientInnen als auch für TherapeutInnen. Die Studie ist somit auch eine Maßnahme der aktiven Reha-Qualitätssicherung. Die Berolina Klinik setzt sich sehr dafür ein, positive Reha-Ergebnisse durch hochqualitative Forschung zu sichern. Dafür nutzen wir einerseits die Ergebnisse der Rehabilitationsforschung, tragen aber auch mit eigener Forschung zur Entstehung neuer, praxisrelevanter Erkenntnisse bei.
Befragt werden in der aktuellen Studie je 100 PatientInnen (nach schriftlicher Einwilligung) in offenen bzw. geschlossenen Gruppen. Unser Interesse richtet sich insbesondere auf die Verbesserung der Sport- und Bewegungsmotivation, die Verbesserung der Affektregulierung, die Verbesserung der funktionellen Gesundheit und Teilhabe sowie die Wahrnehmung von Gruppenprozessen und Nebenwirkungen von Gruppentherapien. Auch die Erlebnisse und die Wahrnehmung der TherapeutInnen in den beiden Gruppenformen fließen in die Untersuchung ein.
Durch die Studie hoffen wir mehr darüber zu erfahren, für welche Art von PatientIn bzw. welche Art von Therapie offene bzw. geschlossene Gruppen besser funktionieren. Künftig kann in Anbetracht der relativen Vorteile beider Gruppenformen die passendere Form ausgewählt werden.