Angsterkrankungen
Angst ist eine Grundbefindlichkeit des Menschen. Immer wieder mal im Leben während bestimmter Phasen oder auch bestimmter Situationen Empfinden wir Angst. Das ist ganz normal und gehört zur Gesundheit. Breiten sich Ängste jedoch in übermäßiger Weise aus, bestimmen unser Leben, verursachen Leiden und schränken unsere Fähigkeiten ein, so kann eine Angstproblematik vorliegen, die der Behandlung bedarf.
Formen von Angsterkrankungen
Grundsätzlich lassen sich drei Formen der Angst unterscheiden:
1. Situations- oder objektbezogene Ängste. Diese werden auch als Phobien bezeichnet. Zu diesen zählen die Raumangst sowie Ängste vor leeren Plätzen, Aufzügen, engen Räumen, Spinnen, Hunden, Mäusen o.ä. Diese meist auf klar eingrenzbare Situationen bezogenen Ängste stellen erst dann ein Problem dar, wenn die mit phobischen Ängsten besetzten Situationen im Leben einer Person zwangsweise häufiger vorkommen. Ansonsten wird eine Person mit solchen Ängsten eher ein Vermeidungsverhalten entwickeln, um nicht mit diesen Ängsten konfrontiert zu werden.
2. Die so genannte Panikstörung, bei welcher in bestimmten Situationen ganz zugespitzte Ängste auftreten, die psychisch sehr belastend sein können. Diese gehen oft mit körperlichen Begleiterscheinungen wie schnellem Herzschlag, Schwindel, Schwitzen und Zittern einher. Nicht selten sind die Angstattacken gekoppelt mit Ängsten, schwer erkrankt zu sein, einen Herzinfarkt erlitten zu haben oder Ähnliches. Kennzeichnet für die Panikstörung ist das akute Auftreten und die Stärke der Ängste wie auch das Gefühl, sie nicht steuern oder beherrschen zu können.
3. Bei der generalisierten Angststörung kommt es dazu, dass in übermäßiger Weise Angstgefühle auftreten. Diese können den Lebensalltag der Betroffenen stark einschränken. Kennzeichnet ist, dass die Angstgefühle nicht auf eine äußere Situation bezogen auftreten, sondern ganz unabhängig von diesen auftreten können. Daher haben die Patienten das Gefühl, dass sie von diesen Ängsten „überfallen“ werden und sie nicht durch Vermeidungsverhalten begrenzen können. Oft erscheint es den Betroffenen rätselhaft, warum die Ängste auftreten. Grundlage ist zumeist eine Störung des innerpsychischen Gleichgewichts, z.B. durch eine Einschränkung im Ausdruck von bestimmten Gefühlen.
Angst und Depression, gemischt
Nicht selten kommt es dazu, dass Beschwerden in Form stärkerer Ängste mit einer Depressivität gemeinsam auftreten. Es handelt sich also um eine Mischform, bei der sich das Leiden des Patienten weder klar den Angststörungen noch den Depressionen zuordnen lässt. Daher hat die Weltgesundheitsorganisation dafür eine Extra-Kategorie geschaffen (Angst und Depression, gemischt).
Vorkommen
Datenerhebungen zeigen, dass 5 -10 % Prozent der Patienten in hausärztlichen Praxen in Deutschland unter einer Angsterkrankung leiden. Frauen erkranken zweimal häufiger als Männer. Die schwereren Formen der Angststörungen können die Arbeits- und sogar die Erwerbsfähigkeit einschränken bzw. gefährden.
Ursachen
Über die Ursachen der Angsterkrankungen herrscht unter Experten keine einheitliche Meinung. Bekannt ist, dass bei Tieren besonders ängstliche Individuen vorkommen wie auch solche, die nur wenig Ängste zeigen. Davon ausgehend ist anzunehmen, dass es Menschen gibt, die aufgrund ihrer körperlichen Konstitution leichter zur Entwicklung übermäßiger Ängste neigen als andere. Gesichert ist, dass schwierige Kindheitsumstände zu einer Störung der Angstverarbeitung führen können. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn schwierige/ungünstige Situationen über längere Zeit auf das Kind einwirken. Eine große Rolle spielen dabei die nahen Bezugspersonen, da diese, wenn sie hinreichend empathisch und unterstützend sind, die Mechanismen der Angstverarbeitung sehr stärken können. Dies geschieht durch Einfühlung, Trost, Beistand, Schutz, Abwehr von Gefahren und Ähnliches und kann auch unter schwierigen Bedingungen sehr hilfreich sein. Sind die Mechanismen der Angstverarbeitung ausreichend stark, so können auch ängstigende Situationen gut bewältigt werden. Ist die Angstverarbeitung geschwächt oder brüchig, so kann es leicht – etwa durch belastende Lebensereignisse - zur Entstehung einer Angsterkrankung kommen.
Die auf bestimmte Objekte bzw. Stimuli eingeengten Phobien sind in ihrer Ursache weniger gut erklärt. Hier dürften sowohl archaische Mechanismen, zum Beispiel Angst vor Schlangen oder großen Insekten, aber auch individuelle Prägungen eine Rolle spielen.
Körpersymptome
Eine Besonderheit vieler Angststörungen ist es, dass in der Perspektive des Patienten zunächst körperliche Symptome im Vordergrund stehen, z. B. schneller Herzschlag, Schwindel, Schwitzen, Durchfall, Zittern, aber auch Ängste, ernsthaft erkrankt zu sein, einen Herzinfarkt oder Hirnschlag erlitten zu haben. Daher werden von den Patienten oft somatische Ärzte, z. B. Hausärzte, aufgesucht, um die Symptome abzuklären.
Diagnostik
Durch die nicht selten im Vordergrund stehenden körperlichen Symptome ist die Diagnostik der Angsterkrankungen erschwert. Dies deshalb, da zunächst von den Ärzten bereitwillig mögliche organische Ursachen abgeklärt werden; dies nicht selten mit hohem Aufwand. Und letztlich ist es natürlich richtig und angebracht, mögliche körperliche Ursachen zu untersuchen und „auszuschließen“. Allerdings kann dies von einem psychologischen Verständnis der Ängste wegführen und den Patienten auf mögliche organische Ursachen geistig fixieren. Wurde keine organische Ursache gefunden, so wird von einer psychischen Verursachung der Ängste ausgegangen. Für die psychiatrische Diagnostik der Angst-Erkrankungen gibt es klare Vorgehensweisen. Entsprechende Leitlinien schreiben vor, welche Symptome und in welchem Ausmaß vorliegen müssen, um die Diagnose einer Angsterkrankung zu rechtfertigen. Die sog. Differenzialdiagnose führt dazu, dass eine der oben genannten Formen der Angsterkrankung sicher diagnostiziert werden kann.
Pharmakotherapie
Werden die Ängste vom Hausarzt als psychisch bedingt erkannt, so werden häufig sog. Antidepressiva verordnet. Diese dämpfen das Gefühlsleben und damit auch die Ängste. Solche Medikamente können für einige Patienten hilfreich sein, um sich im Alltag zu behaupten. Sie können auch dazu führen, dass die Patienten eine widrige Situation, die sie eigentlich verändern müssten, länger aushalten - und damit eine schwierige Situationen aufrechterhalten oder gar verschlimmern können.
Psychotherapie
Die Methode der Wahl zur Behandlung von Ängsten ist die Psychotherapie. Es werden dabei verschiedene psychotherapeutische Methoden angewandt. Besonders bekannt sind die tiefenpsychologische Psychotherapie, die Verhaltenstherapie und die psychoanalytische Therapie. Es werden auch Methoden angewendet, die den Patienten gezielt mit den angstauslösenden Situationen bzw. Stimuli konfrontieren. Darüber soll der Patient an die Reize gewöhnt werden und seine Reaktionen besser kennen und einschätzen lernen.
Andere Ansätze werden bei der Behandlung der generalisierten Angststörung und der Mischformen angewandt, können aber auch bei der Panikstörung hilfreich sein. Diese gehen davon aus, dass in erster Linie die sog. Angstverarbeitung gestört ist. Das bedeutet, dass jeder Mensch im Verlauf seines Lebens mit einer Vielfalt von Ängsten konfrontiert wird. Gewöhnlich haben wir jedoch die Möglichkeit, uns mit den Ängsten aktiv auseinanderzusetzen, sie zu vermeiden, manchmal auch sie zu verdrängen oder trotz Ängsten unser Handeln so durchzuführen, wie wir es für richtig halten. Das wäre eine „gesunde Angstverarbeitung“.
Die Behandlung in der Berolina Klinik richtet sich nach dem Symptombild, der Persönlichkeit und den Ressourcen des individuellen Patienten unter Berücksichtigung des Erwerbslebens. Es kommen verschiedene Methoden zur Anwendung. Einzel- und Gruppenpsychotherapien werden miteinander kombiniert. Die Berolina Klinik legt sehr viel Wert auf die Einzeltherapie, da die Patienten sich im Schutz der Einzelbegegnung leichter öffnen und die ihre tieferliegenden Probleme ansprechen können. Aus diesem Grund haben wir die Dauer der Einzelgespräche (im Vergleich zu fast allen anderen Reha-Kliniken) nahezu verdoppelt. Dazu kommen Gruppenpsychotherapien, die verhaltenstherapeutische und tiefenpsychologische Ansätze kombinieren. In edukativen Gruppen werden die Patienten darüber informiert, wie Ängste entstehen, wie sie sich in Psyche und Körper aufbauen und bis zu schweren Angstzuständen führen können. Diese Aufklärungsarbeit ist ein wichtiger Bestandteil der Therapie, da sie den Betroffenen die Angstsymptome und deren Entstehung erklärbarer machen. Das ermöglich es ihnen, diese besser einzuordnen und souveräner mit ihnen umzugehen.
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Prof. Dr. med. Torsten Passie M.A. (phil.)
Chefarzt Psychosomatik
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Dr. med. Martina Henkel
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