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25.03.2013 | IREHA | Klinikprojekte

Nachts sind (nicht) alle Katzen wirklich grau

Rubrik: Vorstellung einer Berufsgruppe - die Arbeit der Nachtschwestern in der Berolina Klinik

R. Rabe, Nachtschwester Berolina Klinik

Fragt man die Nachtschwestern Roswitha Rabe, Brigitte Bünz, Brigitte Marmelstein und Zeljka Vrebac, warum sie dieser Tätigkeit bereits seit vielen Jahren nachgehen, so taucht man schnell ein in einen faszinierenden Mikrokosmos menschlicher Begegnungen. Im Fall von Schwester Roswitha Rabe seien es zunächst eher praktische Gründe und günstige Rahmenbedingungen gewesen, die die erfahrene Mitarbeiterin in die regelmäßige Nachtarbeit geführt hätten, nämlich familiäre Verpflichtungen mit der Betreuung kleiner Kinder. So seien Beruf und Privatleben besser zu vereinbaren gewesen. Später habe Schwester Roswitha Rabe diese Arbeit aufgrund ihrer spezifischen Besonderheiten weitergeführt – bis heute arbeitet sie gerne unter diesen Bedingungen, die großes Verantwortungsbewusstsein und selbstständiges Arbeiten erfordern. Hierbei sind Menschenkenntnis, Erfahrung und Einfühlungsvermögen unabdingbar.
Unbestritten ist, dass sich Tag- und Nachtdienst einer psychosomatischen Rehabilitationsklinik in der Pflege grundlegend voneinander unterscheiden.

Stets sind es zwei Kolleginnen, die sich in der Zeit zwischen 19:50 Uhr und 6:50 Uhr die Zuständigkeit für die mehr als 280 Betten große Berolina Klinik teilen. Dabei ist eine Mitarbeiterin für das große Haupthaus (Haus 1) verantwortlich, die zweite Kollegin für die Häuser 2 und 3. Sieben Nachtdienste, danach sieben Freinächte – das ist der typische Rhythmus.

Die Arbeit beginnt mit der Übermittlung relevanter Informationen über sowohl körperlich als auch psychisch besonders belastete und kranke Patientinnen und Patienten durch den Spätdienst der Pflegekräfte an die Kolleginnen der Nachtschicht. Die Routineaufgaben der Nachtschwestern umfassen dann reguläre Kontaktaufnahmen – persönlich oder telefonisch. Dabei sondiert man die aktuelle Lage, versucht, die psychische Verfassung der Einzelnen einzuschätzen und fragt nach weitergehenden Wünschen. Blutdruck-, Puls- und Temperaturkontrollen sowie die Aushändigung von Bedarfsmedikamenten gehören zu den Routineaufgaben. Vielfältige Dokumentationsaufgaben sind zu erledigen. Jeder Notruf, per Telefon, Klingel oder auch in Form persönlicher Kontaktaufnahme, wird von den Pflegekräften entgegengenommen. Besonders ausgewählte Patientinnen und Patienten erhalten ihre Abend- bzw. Nachtmedikation unter Aufsicht. Das Rollenverständnis der Schwestern im Umgang mit ihren "Kundinnen und Kunden" ist meist eher pflegerisch-therapeutischer Natur, dann wieder auch von fast freundschaftlichem Umgang geprägt. Durch ihre weißbekittelte Anwesenheit zeigen die Gesundheits- und Krankenpfleger stets beruhigende Präsenz, wo auch immer sie sich aufhalten oder bewegen: Ob sie sich an der Rezeption aufhalten oder über die Klinikflure laufen im Rahmen ihrer Kontrollgänge. Und kontrolliert werden muss viel: Dutzende Türen (abgeschlossen oder nicht?), Dutzende Räume (Licht an- oder ausgeschaltet?). Ist nach Beginn der Nachtruhe irgendwo unangemessener Lärm zu vernehmen? Riecht es in den Fluren nach Nikotin, weil ein "Suchterkrankter" das strikte Rauchverbot in den Häusern missachtete? Zu den praktischen Arbeiten gehören noch die Bearbeitung von Akten und bald anstehenden Anreisen.

Die im Vergleich zum üblichen Tagesgeschäft psychologisch eher niedrigere Hemmschwelle wird von vielen Patientinnen und Patienten genutzt, um in der ruhigeren und entspannteren Atmosphäre des Abends einfach einmal informell mit den Nachtschwestern in Kontakt zu kommen. Dabei kann es sich um einen kurzen freundlich-höflichen Gruß handeln, aber durchaus auch um Gespräche, die sich im Verlauf so sehr vertiefen, dass eine ganze Stunde daraus werden kann.

Dabei ist es den Pflegekräften gleichzeitig auch außerordentlich wichtig, Strukturen des klinischen Ablaufes zu beachten, zu kommunizieren und durchzusetzen. Hier kommt es auf das psychologische und pädagogische Geschick der Pflegekräfte an, die des Nachts beispielsweise mit lärmenden oder sich sonst wenig rücksichtsvoll verhaltenden Patientinnen und Patienten konfrontiert sind. Immer wieder muss auf die Einhaltung der Hausordnung im Interesse aller Beteiligten hingewiesen werden.

Trotz aller erforderlichen Disziplinierungsmaßnahmen sind doch auch sehr berührende Begegnungen möglich. Patientinnen und Patienten werden angesprochen, wenn sie durch Gestik oder Mimik vermitteln, dass es ihnen nicht gut geht. Gerade diese Momente vertraulicher und tiefgehender Gespräche führen oft zu hilfreichen Erfahrungen und positiven Erinnerungen an den Klinikaufenthalt. Das hat für die Nachtschwestern regelmäßig Postkarten und Briefe, manchmal auch Päckchen zur Folge als Ausdruck von Dankbarkeit und Verbundenheit – oft noch lange Zeit nach Entlassung.

Bei aller Routine passiert dann doch auch immer wieder noch Unerwartetes: So musste sich Schwester Roswitha Rabe einmal des Nachts um einen entflogenen Kanarienvogel kümmern. Der hatte ein Patientenzimmer der 5. Etage als Zufluchtsort auserkoren, wurde dann jedoch mit Hilfe des Technischen Dienstes und eines Vogelkäfigs "dingfest" gemacht.

C. Jürgens, Stationsarzt; R. Rabe, Nachtschwester,


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