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25.03.2012 | IREHA | Klinikprojekte

Das ZAZO-Gruppentraining zur Förderung beruflicher Motivation: Hintergrund und Implementierung in die Praxis

Dr. Rolf G. Fiedler, Dr. Uwe Hinrichs, beide Universitätsklinikum Münster
Prof. Dr. Scott Stock Gissendanner, Wissenschaftler im Ärztlichen Dienst Berolina Klinik

„Sobald der Geist auf ein Ziel gerichtet ist, kommt ihm vieles entgegen."
J. W. von Goethe

Ziele sind der Kompass für die Ausrichtung unserer Handlungen, sie geben uns eine Richtung vor. Ziele determinieren unser Verhalten. Sie aktivieren unsere inneren Kräfte. Ziele helfen uns, unser Verhalten zu planen und zu koordinieren. Sie haben somit zahlreiche äußerst wichtige Funktionen: Wer keine eigenen klaren Ziele hat, läuft Gefahr, dass andere Personen oder äußere Ereignisse die eigene Lebensrichtung bestimmen. Ohne persönliche Ziele können Menschen meist nur noch auf die Ereignisse in ihrem Umfeld reagieren. Was sie selber tatsächlich wollen, verlieren sie mehr und mehr aus den Augen. Ziele geben Menschen Klarheit, was sie sich wünschen und wollen.
Eine chronische Erkrankung zu haben, bedeutet für den Betroffenen häufig auch eine berufliche Neuausrichtung an die veränderten Lebenswirklichkeiten, was zu Desorientierung und unklaren Motivlagen bei der beruflichen Reintegration führen kann. Ressourcenorientierte Interventionsansätze zur Förderung von motivationalen und volitionalen Kompetenzen finden eine große Verbreitung in der Personalentwicklung, der psychotherapeutischen Versorgung und in der psychosozialen Beratung, jedoch lassen sich im Reha-Kontext nach bisherigem Wissenstand keine zielorientierten Ansätze zur Zielfindung und –erreichung im beruflichen Kontext finden. Um diese Lücke zu schließen, wurde das Gruppentraining ZAZO (ZAZO: Zielanalyse und Zieloperationalisierung) entwickelt. Das Training wird aktuell im Rahmen einer durch die Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften e. V. NRW (GfR) geförderten und durch das Universitätsklinikum Münster durchgeführten Implementierungsstudie evaluiert.

Beschreibung des ZAZO-Gruppentrainings
Das manualisierte Training (1) besteht aus vier Modulen (Abb. 1), die innerhalb von zwei bis drei Wochen an unterschiedlichen Tagen mit den einzelnen Rehabilitationsgruppen durchgeführt werden und jeweils 90–100 Minuten umfassen. Jedes Modul enthält modulbezogen psychoedukative Anteile, die inhaltlich an die individuellen Gruppengegebenheiten angepasst werden können.


Abb.1. Module des ZAZO-Gruppentrainings siehe PDF-Datei
 
Im ersten Modul wird nach einer Kennenlernphase und Einstimmung in das Thema das Bewusstwerden der impliziten Motivlagen der Teilnehmer fokussiert. Die Teilnehmer generieren mit Hilfe einer Imaginationsübung Anliegen und Wünsche, die als Arbeitsgrundlage für die nachfolgenden Module dienen.
Im zweiten Modul werden die generierten Anliegen in berufsbezogene Ziele formuliert und anhand qualitativer Kriterien analysiert. Durch die Zielanalyse wird die Wahrscheinlichkeit einer realistischen Erreichbarkeit der Ziele erhöht, was die Bindung der Teilnehmer an ihre Ziele fördert.
Im dritten Modul werden die notwendigen Schritte operationalisiert, die zur Planung der Zielverfolgung und -umsetzung erforderlich sind. Die Teilnehmer schätzen ihre Ziele hinsichtlich der Punkte Commitment, Zielerreichungswahrscheinlichkeit, Zielferne, Beginn der Zielverfolgung, Anstrengungsbereitschaft, Empfinden bei Zielerreichung und Wirkung für andere ein. Durch die bewusste Auseinandersetzung mit ihren Zielen können die Teilnehmer ungünstige motivationale Strukturen bei sich identifizieren und ggf. bearbeiten.
Im vierten Modul erarbeiten sich die Teilnehmer für jedes ihrer Ziele erste Umsetzungsschritte und Teilziele und überlegen sich, was die positiven und ggf. negativen Konsequenzen sein werden, wenn das Ziel erreicht wurde. Im Anschluss erfolgt eine Priorisierung ihrer Ziele, um mögliche Zielkonflikte zu identifizieren und ggf. aufzulösen. Der Transfer in den Alltag wird über eine ressourcenorientierte Intervention eingeleitet und das Training schließt mit der Vermittlung von Zielverfolgungsstrategien (mentale Simulation; Patenschaftsvereinbarungen zwischen den Teilnehmern) ab.

Implementierung in die Praxis
Basierend auf dem Trainingsmanual soll im Rahmen der Implementierungsstudie die Transferierbarkeit und die gewünschten Effekte auf die berufliche Motivation überprüft werden.
Es konnten aktuell elf  Kooperationen mit Kliniken/Einrichtungen geschlossen werden, die das ZAZO-Gruppentraining als neue kognitiv-behaviorale Methode im Rahmen der MBOR-Ausrichtung in das eigene Behandlungskonzept aufnehmen möchten. Damit die Klinikmitarbeiter mit dem Training vertraut werden und um den Grad der Standardisierung in der Trainingsdurchführung zu erhöhen, haben bisher 61 Klinikmitarbeiter an Multiplikatorenschulungen (Train-the-trainer) teilgenommen. Die Evaluation der Schulungen zeigte, dass bei einer geringen thematischen Vorkenntnis das Interesse und der erwartete berufliche Nutzen des ZAZO-Gruppentrainings von den Teilnehmern hoch eingeschätzt worden sind.
Die Durchführung der Studie hat in der Berolina Klinik als einer der elf beteiligten Kliniken bereits angefangen. Die ZAZO Studie ergänzt und erweitert in idealer Weise die schon vorhandenen IREHA-Forschungsschwerpunkte der Klinik im Bereich Patienten-zufriedenheit, Patientenmotivation und psychoedukative Patientenschulung.
Es können weiterhin Interessenten, die das Gruppentraining in der eigenen Klinik als Regelleistung (KTL-Fähigkeit besteht) durchführen und von uns evaluieren lassen möchten, an der Studie teilnehmen.

Literatur:
(1) Fiedler, R.G., Hanna R., Hinrichs, J., Heuft, G. (2011): Förderung beruflicher Motivation – Trainingsprogramm für die Rehabilitation. Weinheim: Beltz

Jens Hinrichs, Rolf G. Fiedler, Scott Stock Gissendanner


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