20.11.2020 | Berolina Klinik | IREHA | Berolina Klinik | News | IREHA | Klinikprojekte
Wissenstransfer zwischen Reha-Praxis und Reha-Forschung
Am 30. Oktober 2020 wurde das 21. Rehabilitationswissenschaftliche Symposium der Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften und des Rehabilitationswissenschaftlichen Verbunds Berlin, Brandenburg und Mitteldeutschland veranstaltet. Die Organisatoren der digital durchgeführten Konferenz befanden sich mit einigen "Live"-Teilnehmenden in den Räumlichkeiten der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland in Halle/Saale.
Gute bzw. qualifizierte Reha-Forschung zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse aus der Forschung nachhaltig und vorteilbringend in die Praxis transferiert werden können. Wie das am besten gelingen kann, war Thema des diesjährigen Symposiums.
Bei dem Symposium waren die Bereiche universitäre Forschung, Gesetzliche Rentenversicherung, Gesetzliche Krankenversicherung und Medizinische Rehabilitation vertreten. Die Referierenden näherten sich dem Thema Transfer sowohl theoretisch als auch praktisch anhand von konkreten Projekten, die eine nachhaltige und vorteilbringende Transferleistung aus der Wissenschaft in die Praxis erfolgreich realisieren konnten. Die Moderation übernahmen Dr. Susanne Weinbrenner (DRV Bund) und Prof. Dr. Wilfried Mau (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg). Weil die Mitgestaltung eines wirksamen und produktiven Transfers zwischen Forschung und Praxis zu den zentralen Zielen der Berolina Klinik gehört, war die IREHA-Rundbrief-Redaktion im virtuellen Publikum dabei.
Der Keynote-Speaker war Dr. Rolf Buschmann-Steinhage, der zum Thema "Lösungsansätze aus verschiedenen Perspektiven für die erfolgreiche Umsetzung von Projektergebnissen" referierte. Transfer heiße im engeren Sinne die Veränderung der Praxis in Kliniken oder bei den Rehabilitationsträgern durch die Umsetzung evidenzbasierter Empfehlungen aus der Forschung durch Reha-Praktizierende. So werde der "Transfer" von Wissen geleistet. Im konventionellen Verständnis geschehe dieser Transfer ohne Einwirkung des Forschenden ("passiv") auf der praktischen Ebene. Forschende veröffentlichen ihre Ergebnisse bei Tagungen und in Fachzeitschriften und warteten, bis diese Informationen durch Praxisakteure wahrgenommen würden. Wissenstransfer im erweiterten Sinne schließe die aktive Planung und Steuerung des Transfers ein.
Unabhängig davon, wie das geschehe, die Umsetzung von Innovationen im Reha-Alltag sei weitaus schwieriger zu bewerkstelligen als die Reha-Forschung. Die Umsetzung geschehe in einem komplexen sozialen Umfeld mit vielen beteiligten Personengruppen mit jeweils unterschiedlichen Interessen und Zielen: Reha-Klinik-Mitarbeitenden, den Versicherte/Rehabilitanden und Reha-Trägern. "Technische Innovation gehen schnell—soziale Innovationen gehen langsam", betonte Herr Buschmann-Steinhage. Aus dem Grund sollen bei Reha-Forschenden die neueren Ansätze der Implementierungsforschung mehr Beachtung finden. Diese Forschungstradition hätte ihre Wurzel in der Politikwissenschaft und den Management-Wissenschaften und beschäftige sich mit der Antizipation von gegensätzlichen Interessen, der Überwindung von Blockaden und der Setzung von Anreizstrukturen, um in Organisationen Veränderungen einzuleiten und zu steuern. Erfolgreiche Beispiele aus der medizinischen Rehabilitation seien die Einführung von qualitätskontrollierten Patientenschulungsprogrammen und die Verstärkung der beruflichen Orientierung. In beiden Fällen sei eine über Jahre hinweg koordinierte Leistung zwischen Forschenden, Kliniken und Trägern notwendig gewesen.
Die Vorträge von Prof. Dr. Katja Nebe und André Golla (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg) fokussierten eine zweite Form des Wissenstransfers: die Umsetzung neuer Richtlinien im Sozialrecht. Ihre Beispiele waren Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsmarkt und die Umsetzung von Rehabilitationsempfehlungen im Prozess der Pflegebegutachtung durch die medizinischen Dienste. In diesen Fällen würden Innovationsprozesse viel eher hierarchisch gesteuert; ihre Forschungsprojekte fokussierten daher administrative Abläufe.
Ein dritter Aspekt von Wissenstransfer in der Reha-Forschung ist die Verbreitung von neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen durch die Erneuerung von Ausbildungsinhalten für die medizinischen Professionen. Dr. Susanne Weinbrenner und Prof. Dr. Wilfried Mau berichteten von neuen Entwicklungen im Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin wie auch im neuen Gegenstandskatalog Medizin. Künftig würden die interprofessionelle Zusammenarbeit und der Bereich Rehabilitation stärker als bisher betont.