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27.11.2019 | Berolina Klinik | Veranstaltungen | IREHA | Veranstaltungen

Rückblick 9. Symposium "Seelische Gesundheit" in der Berolina Klinik

Thema 2019: Angst - und Panikstörungen

v.l. Prof. Borwin Bandelow, Universitätsmedizin Göttingen, Rolf Süllwold, Berolina Klinik, Achim Wilmsmeier, Bad Oeynhausen, Egon Schewe, Löhne, Regina Diedrichs-Winkler, Berolina Klinik, Andree Gleißner, Berolina Klinik
Moderator Rolf Süllwold, Chefarzt Psychosomatik Berolina Klinik
Andree Gleißner, Geschäftsführer Berollina Klinik
Egon Schewe, erster stellvertretender Bürgermeister Löhne
Achim Wilmsmeier, Bürgermeister Bad Oeynhausen
Prof. Borwin Bandelow, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Universitätsmedizin Göttingen
Regina Diedrichs-Winkler, Dip.-Psychologin und Psychologische Psychotherapeutin Berolina Klinik
Guillermo Santiuste Inurrieta mit Zumba-Patientengruppe

Seit 2011 setzt die Berolina Klinik mit ihrem alljährlichen Symposium "Seelische Gesundheit“ ein Zeichen für körperliches und psychisches Gleichgewicht in Beruf, Familie und Freizeit. Ziel des Symposiums ist es, Patientinnen und Patienten sowie Angehörige, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Berolina Klinik, aber auch die interessierte Öffentlichkeit durch Vorträge und praktische Übungen miteinander in einen interaktiven Austausch zu bringen. Fachkolleginnen und -kollegen aus der Region sind wie immer ebenfalls herzlich willkommen. Diese Veranstaltung ist 2015 aus der ursprünglich genannten Burnout-Symposiumsreihe hervorgegangen. Nach Themen der vergangenen Jahre wie "Stress - hilfreich und schädlich", "Seele und Musik", "Gesunder Schlaf als integraler Bestandteil einer gelungenen Life-Work-Balance" stand 2019 das Thema "Angst - und Panikstörungen: Ursachen-Folgen-Gegenmaßnahmen" im Mittelpunkt. Mit Herrn Professor Borwin Bandelow, von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Göttingen, konnte einer der deutschlandweit renommiertesten Experten zum Thema gewonnen werden.

Nach der Begrüßung durch Geschäftsführer Andree Gleißner, der sich insbesondere mit der Höhenangst identifizieren kann, stellte Egon Schewe, als Vertreter der Stadt Löhne fest, "Die steigenden Anforderungen nicht genug zu sein, nicht fit genug, nicht schnell genug, nicht gut genug für den Job, machen Dialog und Aufklärung notwendig, daher begrüßen und unterstützen wir diese Veranstaltung."
Achim Wilmsmeier, Bürgermeister der Stadt Bad Oeynhausen stellte in seinem Grußwort fest, "Angst- und Panikstörungen sind auch heute noch immer ein Tabuthema, Veranstaltungen wie diese können helfen, Lösungsansätze aufzuzeigen und Vorurteile abzubauen, wir wünschen der Veranstaltung auch für die Zukunft alles Gute."

Rolf Süllwold, Chefarzt Psychosomatik der Berolina Klinik und Moderator der Veranstaltung, skizzierte den beeindruckenden Lebenslauf von Herrn Prof. Bandelow: So wurde Bandelow, der sowohl Facharzt für Neurologie, Psychiatrie/Psychotherapie als auch Psychotherapeut ist, in 2019 vom Magazin Cicero in die Liste der 500 wichtigsten deutschsprachigen Intellektuellen aufgenommen. Bei den Patientinnen und Patienten der Berolina Klinik sind Angststörungen der zweithäufigste Grund für die Rehabilitation nach dem Krankheitsbild Depression. In der allgemeinen Bevölkerung kommen Angststörungen sehr häufig vor. So stellte Prof. Bandelow zunächst die verschiedensten und zum Teil sehr seltenen Formen von Ängsten vor,  z. B. die Furcht vor Knoblauch, vor zu langen Wörtern, die Furcht von Enten angestarrt zu werden oder die Angst, "dass das beste Stück immer kleiner wird und sogar im Körper verschwinden könnte, eher männlich ausgeprägt", wie Bandelow trocken kommentierte.  
Nach der Darstellung der häufigsten Ängste der Deutschen in 2019, z. B. Überfremdung, Trump-Politik, Extremismus oder auch bezahlbarer Wohnraum, erläuterte er den "theroretischen Unterbau".
Es gibt vier Hauptformen von Angststörungen: spezifische Phobien (ca. 10% der Bevölkerung), Panikstörungen mit oder ohne Agoraphobie (Angst vor Menschenmengen) ist die zweithäufigste Form und kommt bei geschätzt 6% der Bevölkerung vor, generalisierte Angststörungen und soziale Phobien bei jeweils unter 3% der Bevölkerung. Bei allen Formen der Angststörungen sind Frauen häufiger betroffen als Männer.
Prof. Bandelow erläuterte die Symptome und Behandlungsmöglichkeit dieser vier häufigsten Formen der Angststörungen. Spezifische Phobien beziehen sich immer auf einen spezifischen Anreiz wie z. B. Spinnen, Mäuse, Hunde, Enge, Höhe oder Fliegen. Spezifische Phobien und in manchen Fällen soziale Phobien sind mit Psychotherapie allein besser zu behandeln. Die häufigste Behandlung ist die Exposition, d. h. Patienten werden dem Anreiz ausgesetzt, der ihnen Angst macht. Mit psychotherapeutischer Begleitung führt die wiederholte Konfrontation zu einer Abstumpfung der ungewollten heftigen Angstreaktion. 
Die anderen Formen der Angststörungen sind allgemeiner und mit meistens schwererwiegenden Auswirkungen. Menschen mit einer sozialen Phobie haben ernsthafte Schwierigkeiten, sich in sozialen Situationen adäquat zu verhalten. Menschen mit einer generalisierten Angststörung machen sich über den ganzen Tag übermäßig viele Sorgen um die vielen normalen Risiken im Leben wie Unfälle, Brände, Überfälle usw. Panikstörungen haben dagegen dramatische somatische Zeichen, die sich plötzlich zuspitzen. Man fühlt Todesangst mit Herzrasen, Zittern und Schweißausbrüchen. Diese Angstsymptome sind typisch für eine Flucht- oder Kampfsituation und für echte Gefahrensituationen sehr wichtig. Menschen mit Panikstörungen aber erleben sie in relativ normalen Situationen. "Es ist als ob die Airbags im Auto beim ganz normalen Einparken aufgehen", so Prof. Bandelow. Menschen mit Panikstörungen vermuten oft erst Herzstörungen und verbringen viel Zeit mit einer nicht zielführenden somatischen Diagnostik. Die effektive Behandlung von Panikstörungen erfolgt in der Regel medikamentös mit Arzneimitteln, die auch gegen Depressionen wirken. Auch generalisierte Angststörungen können effektiv mit Arzneimitteln behandelt werden.
Prof. Bandelow sieht die Ursachen für Angststörungen mehr im genetischen Bereich und weniger in Umwelteinflüssen und die Behandlungsmöglichkeiten auf Basis der Leitlinien durch medikamentöse Therapie sowie durch Verhaltenstherapie. Natürlich ist Sport als begleitende Maßnahme auch ein wichtiger Bestandteil.

"Die beruhigende Komponente", so Bandelow, "Ängste haben oftmals einen irrationalen Hintergrund. Bestimmte Gefahren werden häufig überschätzt, da sie unsere Urängste ansprechen. Die Gefahr eines Flugzeugabsturzes liegt bei 1:9,1 Mio., aber auf der A 2 gibt es jährlich 24 Verkehrstote." Andererseits existieren auch unterschätzte, kaum sichtbare Gefahren wie z. B. Cyberkriminalität oder auch die Gefahr von Atomunfällen. Das Phänomen der "Lust an der Angst" aufgrund der frei werdenden Endorphine lässt sich z. B. beim Achterbahnfahren oder Bungee-Jumping beobachten.

Zum Schluss beantwortete Prof. Bandelow Fragen aus dem Auditorium. Die Frage nach einem Anstieg der Angststörungen in den letzten Jahren konnte er verneinen, denn "etwas was überwiegend genetisch bedingt ist, verändert sich nicht so leicht". Auch die Frage, ob die Einnahme der Medikamente ein Leben lang erfolgen müsste, konnte er verneinen, "meistens liegt die Einnahmedauer bei sechs Monaten". "Sind die Angsterkrankungen überall gleich?" wollte ein Zuhörer wissen. "In den überwiegenden Fällen ja, bis auf geografische Besonderheiten wie z. B. die der Eskimos, die sich fürchten, mit dem Kajak nicht mehr heimzukehren oder die Angst vor Voodoo der Einwohner auf Haiti."

Nach der Kaffeepause mit Heidelbeermuffins und Donuts referierte Regina Diedrichs-Winkler, Psycholgische Psychotherapeutin der Berolina Klinik, zum Thema "Achtsamkeit". "Schauen, was gerade ist. Auf ganz bestimmte Weise aufmerksam sein, bewusst im gegenwärtigen Augenblick, ohne zu urteilen." Mit diesem Leitsatz von Jon Kabat-Zinn begann sie ihren Vortrag, und stellte die verschiedenen Achtsamkeitsübungen wie Atemmeditation, Körpermeditation, Gehmeditation und Körpermeditation in Bewegung (Yoga) vor. Die Zuhörer kamen zum Schluss in den Genuss einer Achtsamkeitsübung in der Gruppe. "Versuchen Sie häufiger aus dem Modus des Tuns in den Modus des Seins zu wechseln" empfahl Regina Diedrichs-Winkler abschließend.

Beim letzten Programmpunkt ging es noch mehr in die praktische Umsetzung. Guillermo Santiuste Inurrieta und seine Patientengruppe begeisterten die Zuschauer mit einer energie-geladenen Zumbavorführung, die für Begeisterung und gute Laune sorgte. Auf in´s Wochenende!

 

 

 

 


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