01.12.2021 | Berolina Klinik | Berolina Klinik | News | IREHA | IREHA | Klinikprojekte
Das Long-Covid-Syndrom
Stand heute – 07.12.2021 – hat das Robert Koch-Institut bisher 6,2 Millionen Infektionen mit SARS-CoV-2 registriert. Mittlerweile legen Studien nahe, dass etwa 10 bis 15 % aller Patient*innen behandlungsbedürftige Symptome über einen längeren Zeitraum entwickeln [1].
Expert*innen aus 21 Fachgesellschaften haben eine S1-Leitlinie Post-Covid/Long-Covid ausgearbeitet und am 12.07.2021 veröffentlicht. [2]
Während beim Post-Covid-Syndrom Patient*innen nach meist schwerem Akutverlauf und mit einer langen Rekonvaleszenzzeit gemeint sind (Spätgenesene), sind bei Long-Covid Patient*innen gemeint, die nach meist leicht- bis mittelschwerem Krankheitsakutverlauf und einer Latenzzeit von einem bis drei Monaten vor allem neurologisch-kognitive Symptome zeigen.
Als Ursachen werden diskutiert:
- Persistenz des Virus oder von Virusbestandteilen
- andauernde postinfektiöse Gewebeschäden
- chronische Immundysregulation
- Dysregulation des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems
- potenzielle Nebenwirkungen der Covid-19-Therapie
Symptome zeigen sich auf der
- neurologischen Ebene: Fatigue-Syndrom, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Kopf- und Muskelschmerzen, Geruchs-/Geschmacksstörungen
- pneumologischen Ebene: Dyspnoe, Husten, Gewebeveränderungen der Lunge
- kardiologischen Ebene: venöse Thrombosen, erhöhtes Risiko für Myokardinfarkte und ischämische Schlaganfälle, Lungenembolie, Herzinsuffizienz
- dermatologischen Ebene: Haarausfall, Urtikaria, maculopapulöse Bläschen
- psychischen Ebene: depressive und Angst-Symptome, Schlafstörungen und posttraumatische Belastungsstörung (Situationen auf der Intensivstation)
Eine große Rolle in der Diskussion spielt das „Fatigue-Syndrom" [3,4], das an der Schnittstelle zwischen neurologischem und psychosomatischem Fachgebiet steht. Einerseits ist das Fatigue-Syndrom auch bei anderen Viruserkrankungen wie Mononukleose oder auch bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen wie der Multiplen Sklerose bekannt, andererseits besteht auch eine große Nähe bzw. Überschneidung zu chronischen Erschöpfungssymptomen mit neurasthenischer Komponente.
Beschrieben werden kann es als subjektiv oft stark einschränkende, zu den vorausgegangenen Anstrengungen unverhältnismäßige, sich durch Schlaf oder Erholung nicht ausreichend bessernde subjektive Erschöpfung auf somatischer, kognitiver und psychischer Ebene.
Therapeutische Maßnahmen bestehen in:
- Stressreduktion
- Stärkung von persönlichen Ressourcen
- Schlafförderung
- regelmäßigem angepasstem Ausdauertraining
- Stressbewältigungstraining mit Akzeptieren von Krankheit und Einschränkungen
- gesunder Ernährung und Meiden von Alltagsdrogen (verstärken den oxydativen Stress)
Stationäre Rehabilitationsmaßnahmen werden notwendig, wenn nicht nur vorübergehende Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft bestehen.
In Zukunft wird bei einigen Krankheitsverläufen auch an eine „komplementäre zweite Reha“ zu denken sein in dem Sinne, dass nach einer internistischen (pulmologischen, kardiologischen) Rehabilitationsmaßnahme noch einmal eine neurologische oder psychosomatische Rehabilitation notwendig sein könnte.
Literatur:
[1] Sudre CH, Murray B, Varsavsky T et al. Attributes and predictors of long COVID.
Nature Medicine 2021; 2: 626-631.
[2] Deutsche Gesellschaft für Pneumologie et al. 2021. S1-Leitlinie Post-COVID/Long-COVID. AWMF
Registernummer 020 – 027. Stand Juli 2021. Gültig bis Juli 2022.
[3] Townsend L. Dyer AH, Jones K et al. Persistent fatigue following SARS-CoV-2
infection is common and independent of severity of initial infection. PLoS One
2020; 15: e0240784. DOI: 10.1371/journal.pone.0240784.
[4] Reuken PA, Scherag A. Stallmach A. Postcoronavirus Disease Chronic Fatique Is
Frequent and Not Only Restricted to Hospitalized Patients. Crit Care Med. 2021.
DOI: 10.1097/ccm 0000000000005122.