Zur Navigation - Zum Inhalt

Inhalt

23.11.2020 | Berolina Klinik | IREHA | Berolina Klinik | News | IREHA | Klinikprojekte

Das 7. Treffen der Selbsthilfegruppenleiter*innen der MigräneLiga e. V.

Rolf Süllwold, ehem. Chefarzt Psychosomatik u. Leiter der Kopfschmerzgruppe Berolina Klinik
Dr. Jörg Manzick, Chefarzt Psychosomatik Berolina Klinik
Arne Sörensen, Ltd. Psychologe Berolina Klinik

Am Samstag, dem 7. November 2020, fand in der Berolina Klinik zum siebten Mal eine Weiterbildung für die Selbsthilfegruppenleiter/innen der bundesweit organisierten MigräneLiga e. V. statt. Dieses Jahr wurde das Treffen aufgrund der Corona-Pandemie digital veranstaltet. Die drei Referenten der Berolina Klinik hielten ihre Vorträge in Löhne. Annika Sandré, Selbsthilfegruppen-Regionalleiterin Deutschland Nord, moderierte das Treffen von Hamburg aus.

Nach der Begrüßung der ca. 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch Frau Sandré berichtete Rolf Süllwold über Erfahrungen mit neuartigen monoklonalen Antikörper-basierten Migränemedikamenten. Herr Süllwold war bis 2020 Chefarzt der Abteilung Psychosomatik und behandelt weiterhin Kopfschmerzpatienten in der Berolina Klinik. Der Schwerpunkt seines Vortrags lag auf der Wirksamkeit der Medikamente Erenumab, Galcanezumab, Fremanezumab und Eptinezumab. Zugleich machte er auf unterschiedliche nicht-pharmakologische Strategien der Migränevorbeugung aufmerksam.

Herr Süllwold befragte den Zuhörerkreis zudem auch nach Erfahrungen mit Migräne in der Zeit der COVID-19-Pandemie. Die SHG-Leiterinnen -und Leiter erzählten sowohl von negativen als auch von positiven Erfahrungen und Wahrnehmungen. Manche haben die forcierte Entschleunigung durch den Lockdown während der Pandemie als positiv erlebt, zum Beispiel durch die Umstellung auf "Home-Office"-Arbeiten. Weil die häusliche Umgebung ruhiger und reizärmer ist, haben sie ihre berufliche Tätigkeit als deutlich weniger stressbelastet erlebt. Ein zusätzlicher positiver Effekt wurde zudem dadurch gewonnen, dass man zu Hause ärztliche Empfehlungen leichter als in der normalen Arbeitssituation umsetzen kann: Sie sind zu Hause schlichtweg einfacher zu bewerkstelligen. Als Beispiel wurde das Essen in pünktlichen Abständen von zwei Stunden genannt. Andere Teilnehmer jedoch haben vorwiegend negative Effekte durch die Corona-Einschränkungen wahrgenommen. Die unfreiwillige Verringerung der sozialen Kontakte ist für viele eine besondere Belastung, weil für sie der soziale Austausch ein sehr wesentlicher Bestandteil ihrer Lebensqualität ist. Weniger Kontakte zu haben heißt für sie, weniger Chancen zum Stressabbau und weniger Ressourcen für die Abwehr depressiver Verstimmungen zu haben.

Dr. Jörg Manzick, jetziger Chefarzt der Abteilung Psychosomatik der Berolina Klinik, referierte über das Thema ACT - Akzeptanz-Commitment-Therapie. Die ACT-Therapie wird manchmal als die dritte Welle der Psychotherapie (nach der Tiefenpsychotherapie und der Verhaltenstherapie) bezeichnet. Ein Leitsatz dieser Therapierichtung ist, dass Logik und Einsicht allein nicht ausreichen, um innere Konflikte oder andere psychische Probleme zu lösen. Die ACT-Therapie setzt dagegen einen etwas anderen Schwerpunkt: die eigene "psychische Flexibilität" durch die Aneignung von sechs mentalen Kompetenzen auszubauen. Die sechs Kompetenzen der ACT-Therapie sind:
• Akzeptanz oder das Zulassen von schmerzhaften Erfahrungen ist das Fallenlassen einer nicht mehr notwendigen Abwehr.
• Kognitive Defusion ist die Fähigkeit zu erkennen, dass unsere Gedanken genau das sind: nur Gedanken. Wir müssen sie nicht als harte Realität, als das letzte Wort hinnehmen. Wir können einen Schritt rückwärts gehen und sie neutral aus der Entfernung beobachten, wie "einen Schmetterling, der auf meiner Hand gelandet ist", so die Bildsprache von Herrn Dr. Manzick. So schützen wir uns vor den eigenen Gedanken, die uns manchmal in unerwünschte Verstimmungen treiben.
• Achtsamkeit wird auch treffend als "In-der-Gegenwart-Sein" beschrieben. Gemeint ist hier eine Reihe von Entspannungstechniken, die auf ostasiatischen Traditionen aufbauen und in der Rehabilitation mittlerweile regelhaft praktiziert werden.
• Selbst-als-Kontext ist eine ähnliche Idee wie kognitive Defusion. Wenn wir uns selbst im Kontext sehen, sind wir in der Lage, einen Schritt zurückzugehen und unsere Kognitionen und Emotionen neutral zu beobachten.
• Mit "Werten" ist gemeint, dass wir uns in die Lage versetzen sollen, zu wissen und zu wollen, was uns persönlich wertvoll und erstrebenswert ist.
• Zum Schluss kommt das eigentliche Ziel der ACT: Commitment. Das ist die Selbstverpflichtung, wertgeleitet zu handeln, anhand unserer persönlichen Wertvorstellungen. So bauen wir ein erfülltes, sinnvolles Leben auf.

Arne Sörensen, leitender Psychologe der Berolina Klinik, hatte als dritter Referent anstelle eines Workshops (der aufgrund des digitalen Formats nicht möglich war) einen ausführlichen Kommentar zur ACT-Therapie vorbereitet und eröffnete auch die Fragerunde. Er beschrieb seine Erfahrungen mit den unterschiedlichen Möglichkeiten, wie Patienten schmerzhafte Erfahrungen akzeptieren. Er betonte zum Beispiel, dass Akzeptanz in der ACT-Therapie nicht Kapitulation vor negativen Erfahrungen heißt, sondern die Fähigkeit, negativen Erfahrungen und Gefühlen einen bestimmten, wohl definierten und begrenzten Raum zu geben.

Das virtuelle Treffen wurde abgerundet durch eine Diskussion der Beteiligten über Selbsthilfe in Corona-Zeiten. Bestimmend für diese Zeit ist der Umstand, dass jetzt ein erheblich größerer Teil der Kommunikation über digitale Medien läuft. Sabrina Wolf, Gesundheitscoach und Autorin des Migräne-Podcasts "Unwetter im Kopf", leitete dieses Gespräch gemeinsam mit Annika Sandré an.

In der MigräneLiga e. V. sind ca. 100 Selbsthilfegruppen mit jeweils zwischen zehn und 50 Mitgliedern organisiert. Die regionalen Weiterbildungsveranstaltungen für Gruppenleiter/innen finden einmal jährlich statt.


Drucken