24.07.2018 | Berolina Klinik | News | IREHA | News
Chronische Erschöpfung - ein unsichtbares Symptom? Bedeutung für Prävention und Rehabilitation
Rückblick Symposium 2018 in der Klinik Lipperland Bad Salzuflen











Zum Sommeranfang, am 21.06.2018, fand in der Klinik Lipperland das jährliche zweitägige Fachsymposium in Verbindung mit der Rehawerkstatt statt. Die Veranstaltung wurde zum 11. Mal angeboten. Start war in 2008 mit dem ersten Symposium zur Thematik der "beruflichen Orientierung in der Rehabilitation“.
Daraus entwickelte sich die Symposiumsreihe, die gemeinsam von der Abteilung Rehabilitation der Deutschen Rentenversicherung Bund, dem Reha-Zentrum Bad Salzuflen und der Berolina Klinik in Löhne/Bad Oeynhausen organisiert und wechselnd in beiden Kliniken durchgeführt wird. In diesem Jahr war neu in der Organisation die Salzetalklinik der DRV Westfalen in Bad Salzuflen eingebunden.
Am bewährten Format änderte sich nichts, neben Vorträgen und Diskussionen von und mit den Expertinnen und Experten wurden sechs Arbeitsgruppen "aus der Praxis für die Praxis" angeboten. Das Ganze wurde abgerundet durch einen großen Abendvortrag und vielen persönlichen Kontakten, besonders beim gemeinsamen Essen und gemütlichen abendlichen Beisammensein am Donnerstagabend.
Die diesjährige Thematik drehte sich um "chronische Erschöpfung“, ein viel zu wenig beachtetes Symptom, das allerdings viele unserer Patientinnen und Patienten in Behandlung, in Rehabilitation und oft auch in eine vorzeitige Berentung führt.
Dies war auch Thema des Eröffnungsvortrags “Chronische Erschöpfung, ein unterschätztes Symptom?", den
Frau Prof. Dr. Alexandra Martin aus Wuppertal referierte. Als Expertin für Psychotherapieforschung und biologische Psychologie beleuchtete sie chronische Erschöpfung unter dem Aspekt der Entstehung, des Auftretens bei unterschiedlichen Erkrankungen und Behandlungsmöglichkeiten. Dabei wurde
deutlich, dass es wenig evidenzbasierte Behandlungsangebote gibt, andererseits gerade bei diesem Symptom eine Kombination aus kognitiv-behavioralen, körperorientierten und somatischen Behandlungsverfahren von besonderer Bedeutung ist. Der lebendige Vortrag von Frau Prof. Martin zeichnete sich durch einen hohen klinischen Bezug aus, was sich in der anschließenden regen Diskussion mit den rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus allen Teilen Deutschlands widerspiegelte.
Im Anschluss referierte Herr Dr. Thomas Schulte, Ärztlicher Direktor der onkologischen Klinik Bad Oexen, über "Fatigue - kontroverses Thema in der Onkologie“. Mit beeindruckenden Zahlen aus der eigenen Klinik belegte er Bedeutung und Umfang des Symptoms Erschöpfung. Eindrucksvoll wies er darauf hin, dass chronische Erschöpfung weit mehr sei als ein körperliches Phänomen, auch emotionale und besonders mentale Funktionen sind betroffen wie Konzentration und Aufmerksamkeitsspanne. Als problematisch bezeichnete er die relativ geringen Besserungsquoten der Erschöpfungssymptomatik trotz intensiver rehabilitativer Bemühungen. Hier sah er noch viel Handlungsbedarf zur Entwicklung geeigneter Konzepte, um dies zu verändern.
Herr Dr. Dieter Olbrich, Ärztlicher Direktor des Rehabilitationszentrums Bad Salzuflen,
knüpfte am nächsten Tag an diese Thematik an. In seinem Vortrag stellte er die Notwendigkeit der
"Erschöpfungsdiagnostik in Prävention und Rehabilitation" vor. Psychosomatische Rehapatientinnen und
-patienten zeigen ein hohes Ausmaß an Erschöpfung, was allerdings häufig in vorhandenen Rehabilitationskonzepten nicht zur Kenntnis genommen wird. So wies er auf die Bedeutung der biologischen
Marker, wie Bestimmung des Stresshormons Cortisol und der Herzratenvariabilität hin, um Erschöpfung umfassend zu diagnostizieren. Bei therapeutischen Angeboten hob er die Bedeutung der Balance zwischen
Aktivierung und Regeneration hervor. Ein Umstand, dem in den vorliegenden Rehastandards kaum Rechnung getragen wird. Als ein besonderes, noch im experimentellen Stadium befindliches Behandlungsangebotes stellte er die Intervention mit frequenzmodulierter Musik (Audio Visuelle Wahrnehmungsförderung, AVWF) vor. Die Behandlungsergebnisse sind nach 5-jährigem Einsatz ermutigend, weitere Forschung zum Einsatz von AVWF bei Erschöpfung läuft.
Die Arbeitsgruppen beschäftigten sich mit der Anwendungspraxis aus unterschiedlichen Blickwinkeln und reichten von sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung in der psychosomatischen Rehabilitation bis zu
Fatigue-Management in der onkologischen Rehabilitation. Es wurde wieder ein ZRM Schnupperkurs angeboten, Achtsamkeit geübt und das Ganze abgerundet durch eine Arbeitsgruppe, die sich mit Resilienz und
Arbeitswelt beschäftigte. Die Resonanz war sehr positiv, die Ergebnisse der Arbeitsgruppen wurden abschließend im Plenum vorgetragen.
Den großen Abendvortrag hielt Herr Prof. Dr. Frank C. Mooren, Ärztlicher Direktor der Klinik Königsfeld der DRV Westfalen in Ennepetal. Prof. Mooren referierte aus der Sicht des Sportmediziners über Sport und Regeneration. Dabei machte er sehr eindrucksvoll deutlich, wie diese Prozesse bis auf die zelluläre
Ebene wirken. Jeder Trainingsreiz führt zu einem dosierten Zelltod, der Regeneration unabdingbar macht, damit ein guter Trainingseffekt entsteht und Schädigungen vermieden werden.
Ein Höhepunkt des Symposiums war dann am Freitag der Abschlussvortrag von Herrn Prof. Dr. Michael Linden, ehemaliger Ärztlicher Direktor des Rehazentrums Seehof der DRV Bund und Leiter der Forschungsgruppen Rehabilitation der Charité. Er berichtete über Salutotherapie in der medizinischen Rehabilitation
und machte am Beispiel einer kontrolliert randomisierten Studie deutlich, dass ausreichende und dosierte Regenerationen bessere Behandlungseffekte zeigt, als Überstimulation und übermäßige Aktivität. Hier wird noch viel Umdenken in der Rehabilitation notwendig sein, um diese Befunde auch in den Rehabilitationsalltag zu implementieren.
Bei einem Imbiss verabschiedeten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Hoffnung, die Symposiumsreihe möge fortgeführt werden, um nicht nur den fachlichen, sondern auch den persönlichen Austausch zu erhalten. Die ersten Planungen für 2019 laufen bereits, der Veranstaltungsort wird dann wieder die Berolina Klinik Löhne/Bad Oeynhausen sein.