22.11.2020 | Berolina Klinik | Berolina Klinik | News | IREHA | IREHA | Klinikprojekte
Bericht über das Online-Symposium der MigräneLiga e.V. - Teil 1 -


Am Freitag, den 30.10.2020, wurde das 73. Migräne-Symposium der MigräneLiga e.V. Deutschland durchgeführt und zwar erstmals ausschließlich online mit einem Stream über die Plattformen “YouTube” und “Facebook live”. Die Berolina Klinik organisierte für ihre Rehabilitanden das gemeinsame Onlinestreaming und somit die Teilnahme an dieser umfassenden Veranstaltung, bei der renommierte RednerInnen medizinischer Institutionen aus ganz Deutschland, die für die Diagnostik und Therapie dieser Erkrankung bekannt sind, referierten. Im Folgenden finden Sie eine erste kurze Zusammenfassung von (drei) ausgewählten Beiträgen des Migräne-Symposiums vom 30.10.2020 (Literatur jeweils bei den Referentinnen); weitere Vorträge werden im IREHA-Rundbrief Nr. 1 / 2021 dargestellt.
Einmal widmete sich Herr Dr. med. David Lewis, Facharzt für Neurologie, Regionalbeauftragter der DMKG für Baden-Württemberg, niedergelassen in eigener Praxis in Stuttgart, der Frage: „Ist es Migräne oder Spannungskopfschmerz?“ Danach leiden 90% der Bevölkerung innerhalb eines Jahres an irgendeiner Art von Kopfschmerzen. 85% der Betroffenen nehmen danach Medikamente nach eigenem Ermessen, ohne mit einer Ärztin oder einem Arzt Rücksprache zu halten. Mehrere Unterschiede zwischen Migräne und Spannungskopfschmerzen sind zu konstatieren, unter anderem das Fehlen typischer vegetativer Begleitsymptome bei Spannungskopfschmerzen wie Übelkeit, Erbrechen, Überempfindlichkeit gegenüber hellem Licht und Geräuschen, aber auch Unterschiede in Bezug auf das Ansprechen auf Tryptane bzw. Onabotulinumtoxin A. Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Kopfschmerzarten sind neben anderen, dass jeweils die HWS-Beweglichkeit eingeschränkt ist und Schlafstörung um das 2,5-fache erhöht sind. Ca. 50 % der Patientinnen bzw. Patienten mit chronischen Kopfschmerzen leiden an Depressiven Störungen; eine schwere Depressive Störung ist ein Risikofaktor für eine Erkrankung an Migräne, aber auch an Spannungskopfschmerzen. Im Verlauf von 30 Jahren verändert sich bei 30-40% der Betroffenen die anfangs gestellte Diagnose der Art des Kopfschmerzes. Nach Herrn Dr. Lewis ist vor allem festzuhalten, dass Migräne und Spannungskopfschmerz vermutlich zwei Pole eines Erkrankungskontinuums sind und dass bei Spannungskopfschmerz stets auch an eine andere (körperliche) Ursache der Symptomatik gedacht werden sollte.
Dann referierte Frau Dr. med. Katja Heinze-Kuhn, Oberärztin der Schmerzklinik Kiel über das Thema „Migränetherapie im Laufe des Lebens: Kindheit – Schwangerschaft – Alter“. Sie gliederte ihren Vortrag in drei Hauptabschnitte. Im ersten Hauptabschnitt führte sie die Regel ein: Keine Schmerzmittel nehmen solange nicht nötig! Als Indikation für die Einnahme von Schmerzmitteln sieht sie folgende Situationen an: Ein Einschlafen mit dem Kopfschmerz ist unmöglich, der Kopfschmerz ist nicht aushaltbar bzw. zu häufige Fehlzeiten in Schule und Arbeit, aber auch in der Freizeit, damit das soziale Leben nicht längerfristig beeinträchtigt ist. Im zweiten Hauptabschnitt betont sie die Bedeutung der pharmakologischen Regel, keine Tryptane zu nehmen, solang ein Schmerzmittel funktioniert. Die positive Seite der Tryptane sei ihre sehr gute Wirksamkeit, die negative, dass sie die Migränehäufigkeit erhöhen können (so genannter MÜK = Medikamentenübergebrauchskopfschmerz) bzw. dass die gute Wirkung und Verträglichkeit der Tryptane vorbeugende Maßnahmen vergessen lassen. Im dritten Hauptabschnitt erläutert sie die Regel: Verhaltensänderung vor medikamentöser Prophylaxe und in diesem Rahmen, dass die Häufigkeit von Migräneattacken nicht schicksalshaft hingenommen werden muss: Manche Auslöser können gemieden werden und bestimmte Verhaltensweisen schützen vor Migräne. Abschließend stellt Frau Dr. med. Katja Heinze-Kuhn fest, dass die Grundregeln der Migränebehandlung unabhängig von Alter und Lebenssituation sind. Detaillierte Ausführungen können hier aus Platzgründen nicht gemacht werden und sind dem Vortragsmitschnitt zu entnehmen.
Herr Priv.- Doz. Dr. med. Charly Gaul, Chefarzt der Migräne- und Kopfschmerzklinik Königstein i. T., sprach über das Thema „Migräneprophylaxe nach den Leitlinien der DMKG und weitere Therapieoptionen“. Ziele der Behandlung der Migräne sind danach bei der Akuttherapie rasche Schmerzfreiheit und Beseitigung der Begleitsymptome sowie eine nichtmedikamentöse Prophylaxe und eine medikamentöse Prophylaxe bzw. bei letzterer eine Verringerung der Attackenfrequenz und eine Verringerung der Attackenschwere. Bei ca, 30 % der Patientinnen und Patienten mit einer Episodischen Migräne besteht eine Prophylaxeindikation und bei allen Patientinnen und Patienten mit einer Chronischen Migräne. Er empfiehlt ein Kopfschmerztagebuch zur Therapieplanung und Erfolgskontrolle. Im Kontext der nichtmedikamentösen Therapie werden z.B. PatientInnenedukation (die Betroffenen sollen selbst zu ExpertInnen werden), Ausdauersport, Kognitive Verhaltenstherapie, Biofeedback und Entspannungsverfahren (Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson = PMR) empfohlen. Herr Priv.- Doz. Dr. med. Charly Gaul betont zusammenfassend, dass eine Prophylaxe mit nichtmedikamentösen Maßnahmen und medikamentös erfolgen muss, dass sich die Auswahl der Prophylaxe an Lebensstil und Begleiterkrankungen orientieren sollte, dass Begleiterkrankungen mitbehandelt werden sollten und schließlich, dass eine Kombination von nichtmedikamentösen Verfahren und medikamentöser Prophylaxe den Einzelmaßnahmen überlegen ist.